Ein Schreibtisch mit drei Geldsäcken und einem Schild mit der Aufschrift „Teilhabe? Nur wenn’s sich rechnet“, im Hintergrund der bröckelnde Schriftzug CDU an einer Wand.

Friedrich Merz und die Eingliederungshilfe – Wenn Teilhabe plötzlich zu teuer wird

Gesellschaft & Inklusion Politik

„Jährliche Steigerungsraten von bis zu zehn Prozent bei der Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe sind nicht länger akzeptabel“ – dieser Satz von Friedrich Merz, CDU-Parteivorsitzender und Oppositionsführer, fiel Anfang Juni auf dem Kommunalkongress in Berlin. Was auf den ersten Blick wie eine nüchterne Haushaltsbetrachtung wirkt, ist bei genauerem Hinsehen ein sozialpolitischer Offenbarungseid.

Denn wenn ein Spitzenpolitiker öffentlich Zweifel daran äußert, ob gesellschaftlich garantierte Teilhabeleistungen „noch tragbar“ sind, dann wird nicht nur an Zahlen gerüttelt – sondern an der Würde von Menschen.

Teilhabe ist kein Kostenfaktor. Sie ist ein Menschenrecht.

Die Eingliederungshilfe ermöglicht Menschen mit Behinderungen ein Leben inmitten der Gesellschaft. Sie ist gesetzlich verankert, völkerrechtlich garantiert und ethisch geboten. Dass ihre Kosten steigen, liegt nicht an Verschwendung, sondern am gesellschaftlichen Fortschritt: mehr Barrierefreiheit, bessere Bezahlung von Fachkräften, wachsendes Bewusstsein für Rechte und Teilhabe.

Merz betont zwar, dass niemandem Leistungen gestrichen werden sollen. Doch der Subtext ist eindeutig: Behinderung wird wieder zur ökonomischen Rechenfrage.

Geschichte als Mahnung

Die Vorstellung, Menschen nach ihrer „Wirtschaftlichkeit“ zu bewerten, ist brandgefährlich – gerade in Deutschland. In der NS-Zeit galten Menschen mit Behinderungen als „unnütze Esser“, ihre Existenz als „Belastung für den Staat“. Die Folge: systematische Tötung im Rahmen der sogenannten Euthanasie-Programme – gestützt auf Kalkulationen, was ein Mensch „kostet“.

Wir leben heute in einem Rechtsstaat. Aber wenn Teilhabe wieder primär unter dem Blickwinkel der Kosten diskutiert wird, dann werden gefährliche Denkfiguren wieder salonfähig. Die Sprache ändert sich – das Menschenbild dahinter bleibt erschreckend vertraut.

Was ist mit dem „C“?

Die CDU nennt sich christlich. Doch wo ist das Christentum, wenn die Schwächsten der Gesellschaft plötzlich zur Belastung erklärt werden? Was bleibt vom „C“, wenn nicht die unbedingte Solidarität mit denen, die Unterstützung brauchen?

Christliches Menschenbild heißt nicht, in Excel-Tabellen zu denken. Es heißt, jeden Menschen in seiner Würde ernst zu nehmen – unabhängig von seiner Leistungsfähigkeit. Wer Teilhabeleistungen infrage stellt, stellt damit letztlich das Menschenbild in Frage, auf dem unser Sozialstaat ruht.

Mein Fazit

Wer Menschen mit Behinderungen auf ihre „Kosten“ reduziert, betreibt Sozialpolitik mit dem Taschenrechner statt mit dem Herzen. Teilhabe ist kein Luxus. Sie ist Voraussetzung für eine demokratische, inklusive und menschenwürdige Gesellschaft.

Und wer das nicht versteht, sollte sich fragen, ob er wirklich noch mit Überzeugung für das „C“ in seinem Parteinamen einstehen kann – oder ob es sich damit nicht längst erledigt hat.